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Wer rastet der rostet – sportliche Alltagshelfer für das Homeoffice

Frau arbeitet auf Laufband an einem Stehschreibtisch © martin-dm / Getty Images

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Inzwischen gibt es viele Geräte für das Homeoffice, die die Folgen von langem und starrem Sitzen vermeiden sollen. Aber wie sinnvoll sind diese überhaupt?

Dass langes Sitzen schädlich ist, wird bereits seit einigen Jahren immer wieder bestätigt. Viele Menschen haben es sicherlich auch schon selbst beobachten können. Insbesondere wer täglich lange sitzt, ist oft von Nacken- und Rückenschmerzen geplagt. Der Grund: Bei fehlender Bewegung verkürzt sich die Muskulatur. Aber fehlende Bewegung wirkt sich nicht nur auf die Muskeln aus, sondern kann auch schwerwiegendere Folgen mitsichziehen. Es kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs und Diabtes haben, wie faz.net mitteilt. Umso wichtiger ist, dass wir uns fernab der viel bewegen – oder können wir das nicht auch während der Arbeit?

Seit den Anfängen der 2000er Jahre haben sich überwiegend sitzende Tätigkeiten noch weiter in der Arbeitswelt etabliert. Als Richtwert, ab wann ein dauerhaftes Sitzen als kritisch betrachtet wird, sind viereinhalb Stunden ohne Aufstehen. Im Jahr 2017 gehörten 57,2 Prozent der Männer und 50,2 Prozent der Frauen zu den Dauersitzern. Der Professor für Kardiologie am Imperial College in London sagt zum aktuellen Trend: "Ich fürchte, im Homeoffice sitzen die Menschen jetzt noch mehr". Zwischendurch aufzustehen zahlt sich aus wie in einer Studie festgestellt wurde. Die Probanden, die sich zwischendurch die Beine vertreten haben, wiesen bessere Stoffelwechselwerte auf als ihre sitzenden Kollegen. 

Wie der Sportwissenschaftlicher Pavel Dietz erläutert, wurde früher nur angenommen, dass sich beständiges Sitzen nur auf den Rücken schlecht auswirkt.

"Als dann die Studien über die weiteren Nachteile des ständigen Sitzens rauskamen, wurde in arbeitsmedizinischen Fort- und Weiterbildungen immer mehr darauf hingewiesen, dass es nicht nur für den Rücken wichtig ist, das Sitzen zu unterbrechen, sondern auch, um chronische Krankheiten zu vermeiden.“

In einer Umfrage der Techniker Krankenkasse aus 2016 gab rund jeder vierte Befragte an, dass die Meetings in seinem Unternehmen inzwischen im Stehen stattfinden. Möglichst viel Abwechslung ist die Devise. Daher schwören viele Menschen auch auf Hocker mit rundem Fuß oder Sitzbälle. Aber auch Stehschreibtische sind gefragter denn je. 

Welche Vorteile bringen Schreibtischlaufbänder & Co.?

Neu sind allerdings Schreibtischfahrräder oder Schreibtischlaufbänder. Hierfür gibt es schon welche, die man sich nachträglich unter den bestehenden Schreibtisch stellen kann aber auch welche, die direkt im Schreibtisch integriert sind. Allerdings haben sie im Vergleich zu einem Stehschreibtisch, den man bereits für 100€ bekommt, einen hohen Preis. Die Ergometer kosten ein paar Hundert Euro und die Laufbänder gehen sogar in den Tausenderbereich. Die Frage ist jetzt natürlich, ob sich solch eine Anschaffung denn auch lohnt oder ob man sein Geld zum Fenster rauswirft. Der Professor für Prävention und Gesundheitsforschung der pädagogischen Hochschule in Heidelberg Jens Bucksch sagt dazu: "Natürlich sind solche Geräte keine Garantie, dass man nicht krank wird, aber sie können ein Mosaikstein sein zu einem gesünderen Leben."

Mit dem aufkommenden Trend haben sich ebenso viele Studien diesbezüglich entwickelt. So konnte nachgewiesen werden, dass Menschen, die ein solches Gerät benutzen und sich am Arbeitsplatz durchweg bewegen bessere Blutzuckerwerte und einen niedrigeren Blutdruck haben. Diese Faktoren sind ausschlaggebend, um das Risiko einer chronischen Krankheit zu verringern. Auch auf der Waage ließ sich bei vielen Angestellten ein sinkendes Gewicht und analog dazu sinkende Cholesterinwerte feststellen. Leidet man allerdings unter Rückenschmerzen ist der Stehschreibtisch ein Muss. Nebst körperlichen Eigenschaften ließ sich aber auch feststellen, dass sich die Bewegung auch auf die kognitive Leistung auswirkt. So konnte das Erinnerungsvermögen verbessert und die Aufmerksamkeit gesteigert werden. 

Gestresste Frau sitzt an einem chaotischen Arbeitsplatz © Maskot / Getty Images
Neben den vielen Vorteilen, die die Remote-Work bietet, gibt es allerdings auch Risiken für unsere Gesundheit. Die Heimarbeit kann uns sowohl psychisch als auch physisch zusetzen. 

Welche negativen Auswirkungen haben die sportlichen Alltagshelfer?

Analog zu den diversen Vorteilen, die die Laufbänder & Co. mitsichbringen, wurden auch Nachteile untersucht bzw. festgestellt. Auffällig war, dass Routinearbeiten nicht mehr so schnell wie vorher ausgeführt wurden und sich insbesondere Tippfehler vermehrt haben. Hierbei schnitten die Teilnehmer mit den Laufbändern schlechter als die Kollegen mit den Ergometern. Die genaue Korrelation konnte noch nicht definiert werden, allerdings wird vermutet, dass unser Gehirn eine grobe und eine feine Bewegung (Laufen vs. Tippen) nicht vereinbaren kann. Wobei es auch schlichtweg ungewohnt ist und sich diese Tests auf einen längeren Zeitraum wiederum anders auswirken könnten. 

Haben die Ergebnisse der Studie wirklich Hand und Fuß?

Bucksch ist der Meinung, dass die Studie mit Sicherheit viele gute Dinge hervorgebracht, sie allerdings auch nicht überbewertet werden darf. Jede Studie wird von Faktoren beeinflusst, die in den Messungen nicht immer mit aufgegriffen werden können. So kann es hier beispielsweise der Fall sien, dass die Studienteilnehmer, die sich bereit erklärt haben, ohnehin schon sportlich aktiver sind als die Teilnehmer, die die sitzende Kontrollgruppe vertreten haben. Bezüglich der aufgetretenen Fehler beim Tippen können auch Ursachen wie Schlaf, Ernährung und der allgemeine Gemütszustand mitreinspielen. Hinzukommt dass noch nicht allzu viele Studie zu dieser Thematik durchgeführt worden sind und sich insbesondere langfristige Daten noch nicht vorhersehen lassen und die Experimente unter "Laborbedingungen" stattgefunden haben. Um also ein Ergebnis mit Hand und Fuß zu haben, müsste man eine Studie über einen langen Zeitraum mit möglichst vielen Teilnehmen in richtigen Büros durchführen.

Wie schneiden die Aktivitätsbringer insgesamt ab?

Resümierend lässt sich sagen, dass bisher keine körperlichen Nachteile aus den Schreibtischlaufbändern oder Schreibtischfahrrädern aufgetreten sind. Insofern stehen sich vermutlich gesundheitliche Vorteile und negative Auswirkungen wie Tippfehler gegenüber. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass es sich dennoch um ein Sportgerät handelt und eine Falschnutzung dennoch körperliche Beschwerden nachsichziehen kann. Insbesondere unnatürliche Bewegungsabläufe können zu Überbelastungsreaktionen führen, wie Sportorthopäde Yannic Bangert mitteilt. Eine falsche Ausführung kann beispielsweise Folgeerscheinungen wie Sehenreizungen oder Rückenschmerzen durch Fehlbelastung sein. 

„Im Extremfall kann man sich natürlich auch die Knochen brechen oder sich einen Bänderriss zuziehen, wenn man von Rad oder Laufband stürzt. Aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich.“, so Bangert.

Folgende fünf Tipps sollte man also beachten:

  1. Die Intensität nicht zu hoch einstellen
  2. Das Gerät nicht durchgehend benutzen
  3. Turnschuhe tragen, um die Füße gesund zu halten
  4. Kabelloses Headset benutzen, um Stolpern zu vermeiden
  5. Ausreichend Platz für das Gerät bereitstellen

Was ist, wenn mir so ein Gerät zu teuer ist?

Der Sportwissenschaftler Pavel Dietz sagt hierzu, dass die Sportgeräte an sich eine gute Sache sind, aber überlegt werden muss, ob sich die Investition als Privatperson wirklich lohnt. Schließlich kann sich die anfängliche Begeisterung schnell legen, sodass das Gerät nur noch beiseite gestellte wird und verstaubt. Viel wichtiger ist eigentlich, dass der Arbeitsplatz ein gewisses Maß an Aktivität bietet. Es muss Anreize geben, die einen gerne aufstehen lassen – oder dazu zwingen.

Insbesondere die Arbeitgeber sind hier gefragt und können hier zur Gesundheit ihrer Angestellten beitragen. Dafür eignen sich schon "Kleinigkeiten" wie eine gute Kaffeemaschine für die es sich lohnt aufzustehen. Es lassen sich aber auch hervorragend kleine Regelungen einführen wie das man mit Kollegen im selben Gebäude/Büroteil persönlich redet und sich keine Mails hin und her schreibt. Ebenso gut ist es, wenn man gemeinsame Meetings nicht unbedingt im nächsten Konferenzraum vereinbart, sondern den auf der anderen Seite des Gebäudes nimmt. 

Für sich persönlich können auch schon ganz einfache Methoden helfen. Beispielweise stellt man sich einen Wecker alle zwei Stunden, der einen daran erinnert sich zu bewegen. Die größte Hürden ist hier meist sich den Wecker überhaupt erst zu stellen. Daher mache es am besten jetzt sofort. Denn wenn Du es jetzt nicht machst, wirst Du es später auch nicht mehr.