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Digitalisierung: Technik-Ängste im Team abbauen

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Durch die Pandemie wurden viele Unternehmensprozesse auf den digitalen Weg umgestellt. Viele Dinge wurde dadurch auch vereinfacht. Allerdings ist nicht jeder Mitarbeiter sicher im Umgang mit der neuen Technik, da sie privat nicht unbedingt so technikaffin sind.

Die Corona-Pandemie hat es gezeigt: Eine Hülle an Prozessen in Unternehmen konnten digitalisiert werden - vorausgesetzt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen, wie man richtig mit Software und Technik umgeht. Die IT aber stellt Beschäftigte oft vor Herausforderungen -insbesondere wenn man sich alleine im Homeoffice befindet. Wie lassen sich Software-Kompetenzen im Unternehmen stärken? Joachim Böge, Trainer beim Weiterbildungsanbieter GFN, erklärt im Interview, worauf es ankommt.

Herr Böge, sind wir nach über einem Jahr Pandemie jetzt nicht langsam soweit, dass im Homeoffice technisch alles problemlos läuft?

Joachim Böge: Ich würde sagen, die alttäglichen Dinge, wie Online-Meetings, bekommen die meisten inzwischen gut hin. Vieles wird nach der Pandemie sicherlich nicht komplett zurückgedreht werden. Die Umsetzung von einzelnen analogen Prozessen in die digitale Welt wird in vielen Unternehmen aber dennoch einige Zeit dauern. Insbesondere Thema Datenschutz und Cloud-Computing ist noch mit viel Unsicherheit und wird oft skeptisch betrachtet.

Warum rufen Technik und der Umgang damit so oft Unsicherheit hervor?

Böge: Das hat aus meiner Sicht zwei Gründe. Einerseits waren bis vor der Pandemie im Büro oder am Arbeitsplatz immer Mitarbeitende aus der IT oder Kollegen vor Ort, an die man sich wenden konnte und die im Zweifel schnell zur Stelle waren. Zu Hause fühlt man sich dann ein Stück weit abgeschottet. Andererseits besteht privat kein Bedarf, ausgeprägte Kenntnisse im Umgang mit der Technik zu haben. Jemand, der sich privat ein Smartphone kauft, muss erstmal nicht viel zur Funktionsweise und zum Umgang damit wissen. Am Arbeitsplatz ist das anders.

Aus Ihrer Erfahrung heraus, womit gibt es etwa im Homeoffice am häufigsten Probleme, was zählt zu den größten Herausforderungen?

Böge: Wenn sich Prozesse ändern, müssen sich meist auch die Tools ändern, die zum Einsatz kommen. Weil die Umstellung mit Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr sehr schnell stattfinden musste, konnten sich die wenigsten Unternehmen wirklich Zeit nehmen, ihre Beschäftigten hier bei der Einführung neuer Tools abzuholen und gemeinsame Regeln und Leitlinien zur Nutzung festzulegen. Es sind die Vielzahl an unbekannten Tools und der Fülle an neuen Informationen, die dann Ängste hervorrufen. Daneben ist es oft der Umgang mit cloudbasierter Software, der Probleme verursacht. Viele haben Angst, zum Beispiel Daten zu löschen oder falsch zu teilen.

Was kann Beschäftigten helfen, im Umgang mit der Technik sicherer zu werden?

Böge: Wichtig ist, sich klarzumachen: Man ist nicht alleine. Auch im Homeoffice muss es möglich sein, virtuellen Support zu bekommen. Da ist zum Beispiel die Führungskraft gefragt. Es sollte im Unternehmen oder im Team darüber hinaus virtuelle Communities geben, die einen gegenseitigen Austausch ermöglichen. Dort können Arbeitnehmende sehen: Ich bin nicht alleine mit diesem Problem. Dadurch lassen sich schon die meisten Ängste abbauen. Entscheidend ist aber natürlich auch, dass eine gesunde Neugierde und die Bereitschaft zu lernen im Unternehmen gefördert werden.

In welchen Fällen können sich Beschäftigte bei IT-Herausforderungen ganz gut selbst helfen, wann brauchen sie externe Unterstützung?

Böge: Ich glaube, dass ganz viele Unternehmen nicht in der Lage sind, ihre Angestellten ein umfassendes Software-Training anzubieten. In dem Fall sind die Beschäftigten aber mit ihren Problemen alleine und können sich schlecht selbst helfen. Für die Grundlagen sollten Unternehmen daher Workshops/Seminare oder kurze, knackige Trainings anbieten. Wenn es dann um konkretere Fragen geht, kann man sich als Beschäftigter schon eher mal selbst Hilfe suchen. Auf jeden Fall ist den meisten Unternehmen klar, dass es ohne IT-Abteilung heute fast nicht mehr geht. Die können aber selten die komplette Schulung von allen Mitarbeitenden übernehmen.

Wie kann man sich stattdessen vielleicht gegenseitig unterstützen und was kann die Führungskraft übernehmen?

Böge: Ganz wichtig ist, dass allen Beschäftigten wissen: Wieso benötigen wir diese Technik oder dieses Tool überhaupt und welche Vorteile bietet es? Wird zum Beispiel eine Chat-Software eingeführt, die Führungskraft schreibt aber weiterhin ständig E-Mails, wird keiner verstehen, weshalb oder wofür man das jetzt nutzen soll. Daneben ist es sinnvoll, wenn es im Unternehmen oder im Team einzelne Experten gibt. Sie bekommen frühzeitig Wissen, etwa zu neuer Software, und geben das in regelmäßigen Sprechstunden, in einfachen Lernvideos, in Workshops oder Arbeitsalltag an die Kollegen weiter. Ein Experte zu sein, das muss man auch mal betonen, ist dabei keine Frage des Alters. Das sind nicht immer automatisch die jüngeren Beschäftigten, die haben oft auch keine Ahnung.

Wie lernt das Team neue Software am besten kennen und was ist aus Ihrer Sicht der beste Weg, Wissen zu vermitteln?

Böge: Ich finde ja, dass der Erfolg der Einführung neuer Werkzeuge zu 80 Prozent davon abhängt, die Leute abzuholen und zu informieren, warum die neue Software genutzt wird. Zu 20 Prozent entscheiden dann ein virtuelles oder Präsenz-Training oder Workshops in einzelnen Abteilungen. E-Learning-Videos etwa sind an sich nicht verkehrt, aber meiner Meinung nach nur für Einzelne mit Vorwissen sinnvoll. Wer einzig auf Schulungsvideos setzt, hat als Unternehmen zwar am Ende vermeintlich Kosten gespart. Es gibt aber keinerlei Lernzielkontrolle. Man muss sich einfach selbst mal fragen: Wie viele Lernvideos hat man eigentlich selbst schon geschaut? Als alleiniger Ansatz greift das meiner Meinung nach meist zu kurz.

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